Aus der RHEINPFALZ, von Brigitte Schmalenberg

Eine aussergewöhnliche und spannende Erfahrung

Das international renommierte und gefragte Raschèr Saxophone-Quartet zu Gast im Haftelhof in Schweighofen - Höchste Ansprüche gestellt


Als „Werkstatt für verborgenen Talente" versteht sich der jüngst renovierte Haftelhof bei Schweighofen, der in ehemaligen Klostermauern und in idyllischer Höhenlage zum facettenreichen Kulturgenuss einlädt. Am Freitagabend freilich, als das Raschèr Saxophone-Quartet zu Gast war, konnte von verborgenen Talenten keine Rede sein. Die vier Musiker sind anerkannte Weltklasse und ihr klangvoller Auftritt stellte höchste Ansprüche - auch an das Publikum.

Das Saxofon ordnet man gemeinhin dem Jazz zu. Hier hat das Holzblasin-strument, das der Belgier Adolphe Sax 1840 eigentlich erfand, um den tiefen Lagen eines Sinfonieorchesters mehr Kraft zu verleihen, seinen Siegeszug durch die jüngere Musikgeschichte angetreten. Mit seiner enormen klanglichen Bandbreite und dynamischen Stärke wurde es zum schillernden Soloinstrument expressiven Big Band Sounds und zum schillernden Star der swingenden Tanzmusik. In sinfonischen oder gar kammermusikalischen Konzerten ist das Saxofon mit seinem lauten, durchdringenden Ton aber auch heute noch ein Exot.

Dass man es nun auf dem Haftelhof als reines Quartett in einem durchweg klassischen Programm erleben durfte, war eine ganz außergewöhnliche und überaus spannende Erfahrung. Vier Saxofone auf einen Streich, das ist - bei aller Begeisterung für dieses Instrument - gewöhnungsbedürftig, ja geradezu irritierend und erfordert vom Publikum die gleiche Aufgeschlossenheit für fantasievolle Klangwelten wie von den Musikern selbst. Die freilich wussten mit ihren Instrumenten aufs Trefflichste zu experimentieren, zwischen den Fugen Bachs und den Tondichtungen zeitgenössischer Komponisten zu jonglieren, raffinierte Klangeffekte zu stilisieren und darüber hinaus mit technischen Feinheiten zu nuancieren.

Den Anstoß zur Entfaltung des klassischen Saxofons gab der deutsche Saxofonist Sigurd Raschèr (1907 - 2001), der vor den Nazis in die USA flüchtete, schon vor etwa 70 Jahren. Und erstaunlicherweise war ihm dabei ausgerechnet die Musik Johann Sebastian Bachs ein bahnbrechender Wegbereiter. Warum, das zeigten nun die packenden Interpretationen seines 1969 gegründeten Saxophone-Quartets, das mit Christine Rall (Sopran) Elliot Riley (Alt), Bruce Weinberger (Tenor) und Kenneth Conn (Bariton) heute erfrischend verjüngt auftritt.

Bei den „Drei Kontrapunkti" (XII, XI, IX) aus der „Kunst der Fuge" stand der klare, homogene, raumfüllende Saxofonklang in einem überaus reizvollen Gegensatz zum munteren Verwirr- und Vexierspiel der Themenvariationen. Und Bachs „Canzona", das so leicht und dennoch so tiefgründig daherkam, fand sein grandioses Finale in einem Klangrausch, der die Impression einer Orgel heraufbeschwor. Nicht nur fulminante Tongemälde, auch freche Tongekritzel hatten die bestens disponierten Saxofonisten im Gepäck.

Mathew Rosenblums „Möbius Loop" beispielsweise, jene wagemutige Komposition, die eigens für das Raschèr-Quartett geschrieben und vom Klaviergeklimper eines recht kleinen Mädchens inspiriert wurde. Mal übermutig exaltiert, mal selbstverliebt und zurückgenommen werden hier polarisierende Stimmen und Stimmungen ausgelotet und in rhythmischen Kaskaden ergossen.

Das „Concerto for Saxophone Quartet" wiederum, das Philip Glass 1995 ebenfalls als Reverenz an das Rassèr-Ensemble schuf, bezieht seinen Reiz aus der Stringenz eines klassischen Werkaufbaus und der parallelen Entwicklung einer bildhaften Lebendig-keit, die an ein Schiff auf schaukelnden Wellen erinnert.

Dass die Kunst des Saxofonspiels nicht nur die Raumfülle einer Orgel, sondern auch die Glissando - und Pizzicatotechnik von Streichinstrumenten zu suggerieren vermag, bewies die Auslegung des letzten Satzes der „Miniaturen" des schwedischen Komponisten van Koch, die dem beeindruckten Publikum im Haftelhof als Zugabe kredenzt wurden.